DER DEUTSCHE FERNSEHPREIS 2006: Sonderpreis der Stifter an Friedrich Nowottny

Warum Friedrich Nowottny den Ehrenpreis des DEUTSCHEN FERNSEHPREISES 2006 erhält!

Friedrich Nowottny erhält den Ehrenpreis des DEUTSCHEN FERNSEHPREISES 2006 für sein Lächeln. Das mag aufs Erste erstaunen. Doch Nowottnys Lächeln wurde zum Logo einer beispiellosen Fernsehkarriere. Im Hörfunk hätte er es schwerer gehabt. Die Radiohörer hätten sein Lächeln nicht mitbekommen.

Zwei Jahrzehnte lang waren Bonner Politiker aufs Höchste alarmiert und schlagartig hellwach, wenn sie dem Nowottny’schem Lächeln begegneten. Dahinter saß nämlich einer, der ihre eingeübten Posen mit feiner Ironie herunterregelte, der sich nicht über den Tisch ziehen ließ. Es waren prickelnde, intellektuelle Gefechte, die wir am Bildschirm erlebt haben. Nowottny versus Schiller, Karl, Professor („Lieber Herr Nowottny“); Nowottny mit Franz-Josef Strauß, mit Herbert Wehner, Helmut Schmidt, Willy Brandt und Helmut Kohl, der damals feststellte: „Egal, wohin man kommt, der Nowottny ist schon da. Die Politiker interviewt er in der ihm eigenen Weise: lange Fragen, kurze Antworten. Das ist ein Besessener, der keine Angst vor großen Tieren hat.“

Neben dem Lächeln des Friedrich Nowottny war es seine tief sitzende Heiterkeit des Nicht-so-groß-Geratenen, die sein Gegenüber durchaus verunsichern konnte. Seine Körpergröße war für ihn daher nie ein Nachteil, im Gegenteil. Er hatte bald den Ruf vom kleinen Mann, der keine Angst vor denen da oben hat. David gegen Goliath – Friedrich Nowottny machte daraus ein spannendes und unterhaltendes Programm. Als er zum Ritter des Ordens „Wider den tierischen Ernst“ geschlagen wurde, attestierte ihm die Jury „das Aussehen eines englischen Professors, den Charme eines spanischen Toreros, die Eleganz eines italienischen Grafen und die Schlauheit eines portugiesischen Gewürzhändlers“.

Als souveräner und gleichzeitig streng fordernder Studioleiter holte er aus seinen Leuten Höchstleistungen heraus, und das in Zeiten ohne Fernbedienung, ohne Fax und ohne Internet, als Geschwindigkeit noch an Hexerei grenzte. Insider berichten, eines seiner Lieblingswörter, um Tempo zu machen, lautete „Stehschläfer“. Im Haus an der Dahlmannstraße 14 in Bonn wollte keiner mit diesem Titel bedacht werden. Schonungslose Analyse ließ kühne Beiträge entstehen. Aus dem Nichts wurde Stoff. So nahmen im Lauf einer Arbeitswoche Berichte Gestalt an, kleideten sich in Bilder und O-Töne. Und am Ende, Freitag um halb sieben, lag der Bericht aus Bonn in Einzelbeiträgen zur strengen Abnahme in den Schneideräumen vor. Später moderiert von dem charmantesten Moderator, dem kein Publikum ansah, welch hartes Kalkül die Geschichten hinter den nackten Nachrichten zum Programm werden ließ.

Ein Friedrich Nowottny wusste sich Respekt zu verschaffen. Das war schon bei dem Weltblatt FREIE PRESSE so, wo er das Imperium „Wirtschaft“ leitete. Es war eine Ein-Mann-Redaktion, an der in der Zeitung keiner vorbeikam, was bei einem sozialdemokratischen Organ der damaligen Art keine Selbstverständlichkeit war. Nowottny war dabei immer loyal, aber er ließ sich nie vereinnahmen. Das galt für Bielefeld genauso wie für Bonn, wo er den politischen Journalismus zu Rekordhöhen der Popularität führte. Missionarischer Eifer war ihm suspekt, Betroffenheitsjournalismus konnte er wenig abgewinnen. Bei allem Mitgefühl hat er immer auf Abstand geachtet. Das Publikum vertraute ihm und mochte ihn. Nie ließ er sich die Butter vom Brot nehmen. Damit war er unser Mann in Bonn nach dem Herzen und dem Verstand des Volkes, das er wiederum stets respektierte. So wurde er für viele Millionen zum Prototypen des unabhängigen, informativen und unterhaltenden Journalismus.

Die Furchtlosigkeit vor großen Tieren hat Friedrich Nowottny auch als Intendant nicht abgelegt. Die deutsche Einheit war kaum vollzogen, da saß Nowottny der ARD vor und nahm die neu gegründeten ostdeutschen Sender mit in die Gemeinschaft auf. Schließlich stemmte er sich mit Erfolg gegen den Vorstoß von Stoiber und Biedenkopf, die ARD abzuschaffen. „Die ARD steht mit beiden Beinen fest auf schwankendem Boden“, war eines seiner Bonmots in jener aufgeregten Zeit. Wurden der WDR und seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter angegriffen, hat er sie nie im Stich gelassen. Nach innen hat er oft scharf kritisiert, sich aber nicht als Zensor aufgeführt. Nach außen hat Friedrich Nowottny den WDR mit feinem Witz und gelegentlich auch schmerzender Schlagfertigkeit vertreten. Dem Ansehen des Senders hat dieses selbstbewusste, aber nie selbstgefällige Auftreten sehr gut getan.

Fritz Pleitgen / Sept. 2006

Biografie von Friedrich Nowottny